Die Arbeit mit dem Enneagramm
Das Enneagramm ist ein tiefgründiges Modell, mit dem wir die innere Dynamik unserer Persönlichkeit erforschen können und das uns - wie ein Spiegel - unsere Wahrnehmungs-, Denk-, Fühl- und Verhaltensmuster offenbart. Es zeigt uns auf klare Weise unseren Charakterstil und lässt uns erkennen, wie sich in unserem inneren Erleben alles zusammenfügt.
Es ist nicht bekannt, wo das Enneagramm seine Ursprünge nahm. Zwar wird vermutet, dass den christlichen Wüstenvätern das Urheberrecht zusteht und die mündliche Überlieferung über Jahrhunderte im Geheimen geschah, doch könnte es auch ganz andere Wurzeln haben. Das heutige Wissen zum Enneagramm verdanken wir dem chilenischen Psychiater Claudio Naranjo , der es von seinem Lehrer Oscar Ichazo übernommen hat. Beide haben in den 1960 Jahren dem Enneagramm durch die Verbindung mit der modernen Psychologie die aktuelle Öffentlichkeit beschert.
Das Enneagramm erscheint in neun Punkten, die untereinander in Verbindung stehen und von einem Kreis begrenzt werden. Jeder dieser neun Punkte steht für eine menschliche Charakterform, die sich in ihren emotionalen Leidenschaften und einer speziellen Fixierung von den anderen Formen unterscheidet. Jeder Mensch besitzt eine dieser Charakterfixierungen. Er kennt zwar alle neun Formen auch aus eigener Erfahrung, doch eine von diesen beschreibt und beherrscht seine psychologische Dynamik und die wichtigsten Strukturen seines Verhaltens.
Die Arbeit mit dem Enneagramm besteht nun darin, seine je eigene Fixierung herauszuarbeiten und kennenzulernen, um zu erkennen, wie die Fixierung der freien Entfaltung der Lebendigkeit im Wege steht. Zum Beispiel gibt es bestimmte Vermeidungsmuster: das Neuner Muster meidet das Gefühl von Zorn und Wut, weil es die Harmonie bedroht oder das Sechser Muster meidet Angst. Durch die Erkenntnis der eigenen Fixierung und des Vermeidungsverhaltens ändert sich der Raum der freien inneren Entfaltung. Man kann dann leichter innerlich zurücktreten, sieht sich und seine Verhaltensmuster mit etwas Abstand und wird nicht davon eingenommen. Vielleicht entwickelt sich sogar eine humorvolle Sicht auf die eigenen 'Macken' und die Erkenntnis: Was sich da in mir abspielt, bin ja gar nicht ich.
Und dadurch eröffnet sich auch der spirituelle Raum. Das Enneagramm zeigt die Struktur des inneren Gefängnisses der Gewohnheiten, zwanghaften Verhaltens und Vermeidungen - es ist gleichzeitig der Weg aus diesem Gefängnis heraus.